Konstruktive Konfliktlösungs-Strategien, von Winfried Prost

Am liebsten würde man in Frieden leben, doch was wenn einen der Nachbar nicht lässt?

„Streit passiert. Streit gehört zum Leben. Streit ist verrückt! Aber man muss sich schließlich behaupten, Man darf nicht klein beigeben. Es geht um die eigene Ehre und man will ja schließlich nicht als Verlierer vom Platz gehen.“

Es gibt vermeintlich eine Reihe gute Gründe, im Streit auf stur zu schalten und zu kämpfen. Oft eskaliert dann eine Auseinandersetzung um Kleinigkeiten in wenigen Minuten zum großen Konflikt und manchmal kommt es dann bei einer solchen Gelegenheit zum Bruch einer langjährigen Beziehung oder Partnerschaft.

Gründe von Streitigkeiten

Zu den Gründen von Streitigkeiten gehören neben den naheliegenden,

1. Sachbezogene Gründe wie:
Fehlerhafte Sachinformation. – Sofern man die Richtigkeit einer Information überprüfen kann, braucht man bei möglicherweise fehlerhaften Sachinformationen eigentlich nicht zu streiten. Durch Sorgfalt und Genauigkeit kann man Vieles frühzeitig aufklären. Ärgerlich wäre es, wenn eine Information absichtlich falsch gegeben wurde. Dazu unten mehr.
Missverständnisse. – Aus unterschiedlichen Kontexten, unterschiedlichen Erwartungen und Zielen oder auch nur aus sprachlicher Unklarheit oder Unaufmerksamkeit kann es immer wieder zu Missverständnissen kommen. Ehe man der anderen Seite etwas Böses unterstellt, sollte es möglich sein bei Reibungen erst einmal zu prüfen, wo man sich missverstanden haben könnte.
Nicht kompatible Erwartungen. – Wenn man das feststellt, kann man entweder Erwartungen ändern oder muss konstatieren, dass die Lösung oder Kooperation nicht naheliegt und man besser darauf verzichtet.
Konträre Positionen. – In einer bereits bestehenden und schwer veränderbaren Situation wie z. B. Nachbarschaft, Partnerschaft, Verträgen, bietet sich die Technik der Synthese als Lösungsstrategie an: Dabei können die strittigen Positionen auf der Sachebene überwunden werden, wenn man auf Basis der Interessen und Bedürfnisse aller Beteiligten nach alternativen Lösungen auf der Sachebene sucht, die möglichst all diese Bedürfnisse vollständig integrieren.
2. Emotionale Gründe wie:
Empfundene Missachtung und Geringschätzung. – Vielleicht ist der allseits geschätzte Friedensnobelpreisträger Barak Obama sogar der Schuldige dafür, dass Donald Trump auf die Idee gekommen ist, Präsident der USA zu werden, denn Obama hat sich einmal in einer Rede vor Unternehmensführern in Washington einige Minuten über Donald Trump abfällig lustig gemacht. Es gibt die Auffassung, dass Donald Trump dadurch erst den Impuls und Ehrgeiz in sich entwickelt hat, Präsident werden zu wollen, und jetzt seine besondere Aufmerksamkeit darauf richtet, möglichst alle Maßnahmen von Obama zurück zu nehmen.
Der Vertrauensfrieden zwischen Ihnen und Ihren Kunden, Mitarbeitern, Partnern und Familienmitgliedern beginnt, wenn Sie das erste Gebot des konstruktiven Umgangs mit anderen Menschen beherzigen: Wahrnehmen und Würdigen. Jeder Mensch wünscht sich Wertschätzung. Sie ist ein Grundbedürfnis. Bei allem, was jemandem persönlich am Herzen liegt und wofür er sich einsetzt, da fließt seine Lebensenergie. Egal wie fernliegend und absurd dies Außenstehenden auch erscheinen mag, dieser Mensch wird sich freuen, wenn bemerkt und anerkannt wird.Wertschätzende Kommunikation ist eine Grundfertigkeit, die jeder, aber insbesondere jede Führungskraft beherrschen sollte. Ohne Erfüllung dieses Grundbedürfnisses kann keine Kommunikation gelingen.
Empfundenen Ungerechtigkeit. – Erstaunlicher Weise kann man vieles tatsächlich berechnen. Man sollte also mal Wertigkeiten und Maßstäbe miteinander vergleichen und prüfen, ob eine vorgeschlagene Lösung tatsächlich gerecht ist. Empfundene Ungerechtigkeiten bleiben oft über Jahre und Jahrzehnte als Widerstände in einer Beziehung und untergraben das Vertrauen.
Wie lange ist es her, dass jemand Sie verletzt hat und dass Sie noch heute auf eine Entschuldigung warten? Oft ist schon allein eine ausdrückliche Entschuldigung nach Jahren oder Jahrzehnten, am besten verbunden mit einem ausdrücklichen symbolischen Akt der Wiedergutmachung ein Mittel, um eine uralte Spannung zu lösen.
Empfundene oder wirkliche Aggression einer Seite. – Wer sich angegriffen fühlt, kann erschrecken, Angst bekommen, sich wehrlos oder ohnmächtig ausgeliefert fühlen. Bei solchen Gefühlen verschließen sich die meisten Menschen. Insofern ist Behutsamkeit eine kluge Weise, wie man auf andere Menschen zugehen sollte.
Empfundene Verletzung. – Menschen sind unterschiedlich empfindlich. Entsprechend sind empfundene Verletzungen meistens nicht absichtlich zugefügt worden, sondern passieren durch Unachtsamkeit. Andere  aber können auch durch Ignoranz und rücksichtslosen Egoismus verursacht sein. Das belastet dann nicht nur den Betroffenen, sondern auch die Beziehung zwischen den Personen. Eine ernsthafte Entschuldigung und möglichst Wiedergutmachung ist eine wichtige Voraussetzung, eine Beziehung wieder zu heilen.
Manipulation und Vertrauensmissbrauch. – Sobald absichtliche Täuschungen auffliegen, ist Vertrauen zerstört. Und das ist dann extrem schwer, wiederherzustellen. Insofern ist die Empfehlung, gar nicht erst mit Manipulationsversuchen zu beginnen, kein moralischer Appell, sondern ein oberstes Gebot der Klugheit. Vertrauen ist in der Kommunikation und in Beziehungen der oberste Wert. Dazu gehört auch das Bemühen um Transparenz, Wahrhaftigkeit und Sachgerechtigkeit. Alles andere wird sich rächen.
3. Persönliche Gründe wie:
Harmoniesucht – wer Konflikte zu lange verschleppt und zu lange nicht ausspricht, was ihn stört, baut in sich Spannungen auf, die sich dann eines Tages auf einmal entladen. und das passiert dann meistens in einer für die dann gerade vorliegende Situation. Günstig wäre es, frühzeitig die Mikrosignale einer solchen Person zu erkennen und ihr mit Nachfragen nach ihren Gefühlen und Bedürfnissen einen Raum zu schaffen, in dem sie sich möglichst angstfrei mitteilen kann.Eine Eherechts- und Scheidungsanwältin berichtete, dass sie jedem Paar vor der Eheschließung ausdrücklich raten würde, streiten zu lernen und zu streiten. Wenn man alles nur aus Harmoniesucht herunterschlucken und ertragen würde, käme es bei einer Scheidung in potenzierter Form als Hass und Wut wieder heraus. Das hätte sie tausend Mal erlebt.
Seitens der Psychosomatik ist es eine gut gesicherte Erkenntnis, dass verdrängte innere oder äußere Konflikte zu schweren Krankheiten führen können. Aufgestaute Spannungen werden oft zu chronischen Verspannungen, können Organe beeinträchtigen oder eine ganze Körperhaltung verbiegen und verstellen.Eine wichtige Empfehlung ist also, trotz Angst vor Streit seine eigenen Bedürfnisse und Interessen klar zu vertreten, und eine gute Streit- Feedback- und Bedürfniskultur zu entwickeln durch die man privat und geschäftlich konstruktive und friedliche Lösungen schaffen kann.
Selbstbild als ohnmächtig ausgeliefertes Opfer – Diese Lebenshaltung kann zu einer persönlichen Grundresignation oder Grundaggressivität führen und stammt meistens aus der frühen Kindheit, insbesondere wenn es im eigenen Leben Verfolgung, Verlust oder Vertreibung gegeben hat, es kann aber auch aus den Vorgenerationen einer Familie übertragen worden sein. Wenn man dem anderen dann ausdrücklich Optionen zur Wahl anbietet und seine Vorschläge und Wünsche integriert, hat man eine gute Chance zu einer Einigung zu gelangen.
Kontrollsucht und Machtgier. Eine Gegenkompensation zu erlittener Unterlegenheit kann ein besonderes Kontroll- oder Machtbedürfnis eines Menschen sein, mit dem er seine persönliche Sicherheit zu gewinnen glaubt. Bietet man Transparanz und Garantien an, hat man eine Chance, auch einen solchen Menschen zu gewinnen.Voraussetzung für das Gelingen solcher Friedensbemühungen wären wertschätzende Begegnungen auf Augenhöhe im Bewusstsein, dass Frieden das höchste (Kultur-)Gut der Menschheit sein könnte, und dass Frieden nur gelingen kann, wenn jeder mit seinen wahren Bedürfnissen darin integriert und angenommen ist.
Streitkultur kann man lernen!

Seien Sie sich bewusst, dass Sie sich nichts Gutes tun, wenn Sie stur sind. Sie mögen sich für im Recht halten und auch im Recht sein, aber Härte macht einen selber hart, und dann fehlt die Geschmeidigkeit für kreative neue Lösungen. Wenn einer oder beide starr sind, kann eine Beziehung zerbrechen.

Wer dagegen flexibel und geschmeidig wie Wasser ist, kann meistens ohne Verletzungen und ohne sein Gesicht zu verlieren, überraschende Lösungen finden, auf die man früher nicht gekommen wäre. Wasser verletzt sich nicht im Gebirgsbach..

Verhärtung kann einerseits geschehen, indem man sich äußerlich verschließt und nach innen zurückzieht. Andererseits kann Verhärtung darin bestehen, sich nach außen mit Lanze und Schwert zu bewaffnen und loszustürmen und auf andere drauf zu schlagen.

Man kann dabei zwar gegebenenfalls andere platt schlagen und töten, aber dann wird es einsam um einen herum. Schafft man keinen totalen Sieg, und wem wäre das je gelungen, dann gibt es wie man an verschiedenen Plätzen der Welt sieht, jahrzehnte- oder auch jahrhundertelange Auseinandersetzungen, Rachefeldzüge und Kriege.

Die größten Kriege haben sich oft an Kleinigkeiten entzündet und begonnen, weil sich ein einzelner Mensch gekränkt oder übersehen gefühlt hat. Mancher hat dann, um aus seiner vermeintlichen Niederlage und Bedeutungslosigkeit herauszukommen, irgendwelche spektakuläre Dinge angezettelt hat.  Dabei ist es grundsätzlich leichter durch destruktive Aktionen Aufmerksamkeit auf sich zu lenken als durch konstruktive. Für Letztere würde es wirklich besondere Leistungen brauchen.

Nicht nur beim amerikanischen Präsidenten Donald Trump mag eine solche Kränkung ausschlaggebend für seine politische Karriere gewesen sein, auch der folgende wahre Bericht erinnert an die Folgen der Ablehnung eines Menschen: Es handelt sich um die erschütternde Erfahrung eines Kunstprofessors in Wien, die er sich so sehr zu Herzen nahm, dass er daran tatsächlich verzweifelte: „Schauen Sie sich all diese Zerstörungen hier in unserer herrlichen Stadt Wien an!“ rief er im Jahr 1946 einem seiner Studenten in Wien auf der Straße zu. „Ich habe ihn abgelehnt, zwei Mal habe ich ihn abgelehnt!“ Als der Student irritiert fragte, wen und was er meine, rief er: „Ach, Hitler! Er hat sich zwei Mal an der Kunstakademie beworben, um Maler zu werden, und ich habe ihn zwei Mal abgelehnt! Hätte ich ihn doch angenommen! Schauen Sie was er jetzt angerichtet hat, hätte ich ihn doch nur genommen!“

Weltgeschichtliche Dramen beginnen manchmal im ganz Kleinen, und Vertrauen und Beziehungen zerbrechen manchmal an Kleinigkeiten. Erst bekommen sie einen kleinen Riss, aber dann ist die Bruchlinie schon markiert und so ziehen sich politische oder familiäre Streitigkeiten oft über Jahrzehnte hin.

An all dem zeigt sich, dass Kleinigkeiten eben oftmals keine Geringfügigkeiten sind, sondern Indizien oder Symbole für dahinter liegende Einstellungen. In anderen Fällen geht es auch nur um Unachtsamkeiten, die als Zeichen der Missachtung gedeutet werden und als verletzend empfunden werden.

Aufmerksamkeit und wertschätzender Umgang ist insofern eine wesentliche Grundlage und Voraussetzung allen friedlichen Zusammenlebens und aller konstruktiven Lösungen, die auf einer solchen Grundlage gebaut werden können.

Die Zuwendung, die durch eine Feedback- und Frage-Kultur angeboten wird, ist ein weiteres Grundelement friedlichen Zusammenlebens. Erst wenn man durchschaut, was ein anderer Mensch meint, will und braucht, kann man aus einem Konflikt heraus Lösungen verfertigen, die auch für diese Person passend und annehmbar sind.

Offenheit für neue Ideen und eine verspielte Lust, wirklich ganz andere Lösungen als die Bisherigen zu erfinden, schaffen Raum für neue Formen und Möglichkeiten des Zusammenarbeitens und Zusammenlebens. Wenn man sich bewusst macht, dass es weltweit immer auch andere Möglichkeiten gibt und gab, dann braucht man eigentlich bei keiner Meinungsverschiedenheit Streit zu bekommen. Man kann stattdessen eine solche Situation als Anlass zum kreativen Verhandeln nehmen. Lassen Sie sich überraschen, was an Genialem dabei herauskommen kann.