Wie wir uns von uns selbst entfremden und wiederfinden können 

Von Winfried Prost 

„Ich hab zwar gestern ‚ja‘ gesagt, aber eigentlich wollte ich das doch nicht.“ – „Ja und warum hast du das dann nicht schon gestern gesagt?“ – „Na ja, ich weiß nicht, das war mir gestern noch nicht so klar!“

Solche Gespräche können einen ärgern. Sie zeigen aber auch deutlich, dass das menschliche „Ich“ nicht eindimensional, sondern mehrdimensional ist. Das gleiche kann man erleben, wenn man sich zwischen verschiedenen Entscheidungsoptionen hin und her gerissen fühlt:

– Genießen oder sparen?
– Es dem Chef oder den Kollegen recht machen?
– Die Bedürfnisse des Partners, der Kinder oder der Eltern erfüllen?

Wenn man es dann allen recht zu machen versucht, führt einen das eigene Pflichtbewusstsein oft in die Überforderung.

Dabei hat man dann zwischen all den Angeboten, Forderungen, Wünschen, Beziehungsrücksichten und Pflichten die eigenen persönlichen Bedürfnisse oft noch gar nicht mehr wahrgenommen:

– Mal seine Ruhe haben,
– mal Abstand nehmen,
– Sport treiben,
– liebe Freunde treffen…

wo bleibt man eigentlich selbst?

Aber selbst das ist dann noch längst nicht alles. Wenn man sich die Frage nach seiner Lebenserfüllung, seinen Begabungen, nach der eigenen Berufung oder Lebensmission stellt, tauchen wieder andere Bilder, Ideen und Impulse auf. Es sind die eigenen. Es ist die „innere Stimme“, die sich da meldet, es spricht das Selbst. Und Selbstverwirklichung ist gewiss ein Ziel, das es wert ist, anzustreben.

Weißt du, was du eigentlich am allerliebsten in deinem Leben und aus deinem Leben machen würdest?

Freiheit und Autonomie

Ja, vielleicht spürst du, dass es Manchem in deinem Umfeld gar nicht so lieb wäre, wenn du darauf eine klare Antwort geben und danach handeln würdest. Dann wärest du nämlich nicht mehr so leicht zu manipulieren, sondern trätest in deine persönliche Freiheit und Selbstbestimmung, und das bedeutet: Autonomie.  

Autonomie Einzelner aber ist in Gruppen, Familien und Organisationen wie Schule, Firmen, Kirche und Staat schwer zu handhaben. Lieber wünschen diese sich meistens Ein- und Unterordnung und fördern aktiv innere Kontaktsperren, damit der Einzelne seine persönlichen Bedürfnisse nicht spüren und seine Autonomie nur begrenzt entwickeln kann. Der „devote Untertan“ ist dann die Karikatur des daraus folgenden Ergebnisses.

 

Mit den folgenden fünf Strategien werden diese inneren Kontaktsperren zu sich selbst installiert:

Ablenkung vom Wesentlichen

Diese Strategie beinhaltet sowohl die vielfältigen Konsumangebote, oberflächlichen Spaßveranstaltungen, unsinnigen Beschäftigungen oder Zumutung von sinnlosen Leistungen, als aber auch die Prämien dafür und die Belohnungen für von der Obrigkeit erwünschtes Verhalten wie zum Beispiel: Orden für das Töten von Feinden im Krieg.

Fehlende Anleitung zur Selbsterkennnis

Wer hätte schon gelernt, die eigene innere Stimme wahrzunehmen und ihre teils in Bildern,  Träumen und Symbolen verschlüsselten Botschaften zu entziffern? Selbst die Psychosomatik, die eigentlich dafür da wäre, Botschaften der Seele in Krankheiten zu verstehen, rechnet noch zu den Grenzwissenschaften und steckt an den Universitäten noch in den Kinderschuhen.

Aber wer anfängt nach innen zu schauen, zu meditieren, sich selbst zu befragen und sich nicht mehr von anderen steuern zu lassen, sondern eigene Wege zu gehen, wird schnell als „Esoterischer Spinner“ stigmatisiert.

Betäubung

Über den Mangel an Anleitung hinaus, werden durch die Erziehung zudem oft noch bestimmte Persönlichkeits-Impulse so betäubt, dass selbst der Betroffene sie trotz größter Aufmerksamkeit nicht wahrnehmen kann. Diese Menschen sind dann taub dafür und glauben, dass hinter diesem inneren Schweigen nichts ist. Viele Menschen sind in diesem Sinn unauffällig und freundlich, aber schwer aggressionsgestört und somatisieren diese Gefühle in „allergischen Reaktionen“ zu Allergien oder anderen Symptomen.

Verbote und Tabuisierungen

Manche Gefühle und Bedürfnisse gelten als verboten, andere sind sogar mit Tabus belegt und versiegelt worden. Bei letzteren sind die automatisierten verinnerlichten Strafen dann nicht moralischer oder polizeilicher Art, sondern reichen von heftiger Scham über Peinlichkeitsgefühle zu massiven Selbstzweifeln und Selbstabwertungen. Solche Menschen wirken dann manchmal total verklemmt. Wenn ein perfekt installiertes Tabu gut funktioniert, wagt man sich gar nicht erst in die Nähe der betreffenden Gefühle und tut schließlich sogar vor sich selber so, als hätte man sie nicht.

Verdrängung

Die letzte Strategie einer Kontaktsperre zu sich selbst sind Verdrängungen. Sie finden manchmal als Folge von Tabuisierungen statt und sind dann außen gesteuert. Verdrängung ist aber oft auch ein Schutzmechanismus der eigenen Person, bei dem extrem schmerzliche und aktuell nicht verarbeitbare Gefühle dem Alltag entzogen und gewissermaßen ins Tiefkühlfach gelegt werden. Man funktioniert dann zwar weiter im Alltag, aber das Ärgerliche ist, dass diese Gefühle dann nicht verschwinden, sondern oft wie eine Tonschicht das Grundwasser von der Oberfläche fernhalten. Damit wird dann auch der Zugang zur eigenen Innerlichkeit dahinter abdeckt und blockiert.

Was ist die Lösung? Wie findet man wieder Kontakt zu sich selbst?

Wenn Sokrates als Schlüssel für ein erfülltes Leben den Satz „Erkenne dich selbst!“ formuliert, dann geht es dabei neben aller äußeren Selbstbetrachtung im Spiegel ganz besonders um all diese verborgenen, unterdrückten und eingesperrten Aspekte in uns.

Sie werden unserem Bewusstsein teils in manipulativer Absicht mit Strafandrohung, Macht und Tabus vorenthalten. Es wäre aber wahrer und massiv heilsamer, sie wahrzunehmen und in unser Leben zu integrieren. Wenn sie unterschwellig in uns gären, können sie auf die eine oder andere Weise innerlich oder äußerlich explosiv werden.

Entdecke und überwinde also möglichst viele Kontaktsperren zu deiner Seele in dir selbst und bemühe dich, deine inneren Impulse wahrzunehmen und nimm sie ernst. In ihnen steckt die Energie für deinen persönlichen Aufbruch. Schaff deiner Seele in dir und um dich herum in der Welt Lebensraum. Das sei deine große Mission: Erarbeite und erkämpfe dir einen persönlichen Freiraum für deine Seele!

Viel Glück und Erfolg dabei, wir grüßen Dich!

Winfried und Dawid