Die Sterndeuter hatten es gesagt: Bei der hellen Konjunktion von Venus und Jupiter, die alle 795 Jahre stattfindet, wird jedes Mal ein erleuchteter Führer der Menschheit geboren. Die Heiligen Drei Könige, Kaspar, Melchior und Balthasar, die damals allerdings noch nicht heilig waren, hatten sich rechtzeitig auf den Weg gemacht, nutzten den Stern als Navi und trafen schon ein paar Tage nach Weihnachten in Bethlehem im Stall ein. Da konnten sie das Jesuskind schon sofort als den erleuchteten künftigen Menschenführer an seinem Heiligenschein erkennen.
Nachdem sie ihre Geschenke – Gold, Weihrauch und Myrrhe – erst einmal rechts neben der Tür auf dem Geschenketisch abgestellt hatten, drängte es Kaspar, endlich seine königliche Rede halten zu können, die er sich während des Kamelritts durch die Wüste ausgedacht hatte, zu halten: „Mein Führer,“ so sprach er, und das war lange vor jener anderen Zeit, in der man es später in Deutschland ähnlich formulierte – und fuhr dann fort: „Lobpreisende vergoldete Worte mit jubelndem Klang will ich dir heute singen, Fürst des Himmels und der Erde, dir kleines Wesen, dass gerade du geboren bist.“
Doch da wurde er schon schroff vom Kindsvater Josef unterbrochen: „Spart euch euren schwülstigen Redeschwall und macht dem Kind lieber eine frische Windel, die alte ist schon wieder ganz vollgekackt!“ Und du anderer, hol lieber mal Milch von den Schafen draußen und mach sie hier im Eisentopf über dem Feuer warm, damit die Mutter was Milchtreibendes zu trinken hat, und du Dritter, pflück von den Hälsen der Schafe die weicheste zarteste Wolle für das Kind, das elende Stroh pickt und zwickt das arme Kind ja ständig, wenn es sich bewegt. Macht euch nützlich.“
Dabei packte er den mitgebrachten Weihrauchtopf und kippte die harzigen Körner ins Feuer, was mit einem lauten Zischen zu einer Duftexplosion im nach Ochs und Esel stinkenden Stall führte, und tatsächlich für einen kurzen Moment die Atmosphäre verbesserte. „Davon hättet ihr einen ganzen Sack mitbringen sollen, schimpfte er, mit so ein paar ollen Krümeln kann man ja nicht viel anfangen, jetzt riecht es hier schon wieder wie vorher!“
Die drei Könige waren recht verdattert und gehorchten. Sie hatten ja keine Übung, sich Anweisungen zu widersetzen. Normalerweise gaben sie selbst welche. So eine Ansprache war ihnen sehr ungewohnt. Nachdem Melchior sich von Hirten draußen Milch von den Schafen hatte geben lassen, kam er zurück und wollte auch eine Rede halten: „Was für ein Fest ist doch eine Geburt, ein Stammhalter, ein Trost seiner Eltern im Alter,…“ aber auch ihn unterbrach der Vater des Kindes recht schroff: „Weck das Kind nicht auf und quatsch seiner Mutter nicht den Kopf voll. Die beiden brauchen Ruhe und Erholung. Euer schreiendes Kamel draußen vor der Tür könntet ihr auch mal ruhigstellen. Vielleicht mit einem Eimer Wasser oder so!“ Melchior gehorchte erneut und machte sich mit einem Eimer auf Wassersuche. Ein Stück entfernt war ein Wasserloch. Da sank er allerdings am Ufer mit seinen schicken purpur- und goldfarbenen Samtpantoffeln ziemlich tief in den mit Schafskötteln übersäten Schlamm ein. Das freute ihn wenig und er dachte: „Besser hätte ich das Kamel wohl hierher getrieben.“
Balthasar brauchte länger, um genügend Schafe zu fangen und ihnen so viel Wolle vom Hals zu zupften, dass sie reichte, um das alte Stroh zu ersetzen, damit das Kind darauf weich und warm ruhen und schlafen konnte… Immerhin kannte und schätzte er diese Qualität, weil er in seinem Palast eine ebenso feine Wollmatratze hatte, für die er allerdings nicht selber die Wolle gepflückt hatte.
Er kam jedenfalls etwas erschöpft aber doch gut zufrieden von der Schafsjagd zurück. Lediglich mit einem der Hirten hatte er einen kleinen Disput gehabt, der nicht so ganz einfach aufzuklären war, weil dieser Aramäisch sprach, während Melchior sich hauptsächlich auf lateinisch und äthiopisch ausdrücken konnte. Er fühlte sich entsprechend auch kaum in der Lage, dem erleuchteten Führer der Welt eine gute Rede zu halten. Er blieb auf einen Dolmetscher angewiesen, was auf dieser Reise König Kaspar sonst gern übernommen hatte.
Aber hier merkte er schon, dass eine königliche Rede wohl nicht erwünscht und passend war, und er schwieg. Stattdessen aber strömte ihm plötzlich ungerufen eine zarte Melodie aus dem Herzen. Er summte sie leise vor sich hin, und als dann Maria mit dem Baby an der Brust ihre bislang geschlossenen gehaltenen Augen öffnete und ihn mit einem freundlich nickenden Blick ermutigte, entstanden auch Worte aus seinem Inneren und er fühlte sich ermutigt, sie singend Klang werden zu lassen: „Stihile Nacht, heilige Nacht, summ, summ, summ,/summ, summ summ,“ „schlaf in himmlischer Ruhu, suhum, summ suhum summ, summ.!“
Ihm waren dabei selbst die Augen feucht geworden, ja, dies war das Ziel ihrer Reise, so klang das Glück dieser Nacht: „Schlahaf in himmlischer Ruh!“
Maria hatte sich leicht hin- und herwiegend mitgesummt und das Leuchten des Kindes war stärker geworden. Da öffnete dann endlich auch Josef sein Herz und eine gute Flasche Rotwein und hieß die Könige als Gäste im Stallgeruch seines Reichs willkommen.
Sie erhoben ihre Becher und stießen alle mit Maria, die dabei ihre frische Bio-Schafsmilch trank, auf das Wohl des künftigen Menschenführers an.
Bald fingen sie dann leicht beschwipst weiter an zu singen. Diesmal das swingende: „Jingle bells, jingle bells, jingle all the way…“ und König Kaspar begann dazu leicht torkelnd zu tanzen, bis er schließlich umfiel und schnarchend wie ein Bauer neben dem Ochsen im Mist landete. So endete das Fest in Frieden und Freude und das ist die volle Wahrheit, wie sie nicht einmal in der heiligen Bibel steht.
Dass der kleine Bub eines Tages gekreuzigt werden sollte, ahnten sie dabei allerdings noch nicht, doch das ist eine andere und leider weniger friedliche Geschichte…